Kurzatmig ohne Kunst


Christian Hitsch nennt Naturwissenschaft einen „bösen Hund“

 

Was ist Anthroposophie ohne die Kunst? Wie steht es mit dem Verhältnis der Naturwissenschaft und der Anthroposophie? Auf welche Weise gelangen wir in die Welt des Schöpferischen? Antworten auf diese Fragen gab Christian Hitsch während seines überaus lebhaften Vortrags „Der künstlerische Impuls in der Anthroposophie“.

Zum Lebhaften des Vortragenden gehörte am Freitagnachmittag auch der Blick auf das Absterbende. Denn als der Kunstexperte gleichzeitig blühenden Schneeglöckchen und abgestorbenes Laub präsentierte, lud er mit dem Satz „Kaum ist etwas da, beginnt es schon zu sterben“ in das Reich der Imagination ein. „Was geschieht bei solchen Gedanken in der Seele“, fragte er – und animierte dazu, aufkommende Gefühle zu intensivieren. Andacht, Staunen und Ehrfurcht seien notwendig, damit sich durch Übung etwas in der Seele verändern könne.

Christian Hitsch: „Das ist das Erwachen der Imagination. Wir müssen alle Gedanken ablegen, so dass ein Gedanke ,sehend' wird.“

Aber der Reihe nach: Ganz im Sinne von Friederike Feix dürfe man den Mut haben, die Kunst als lebendiges Element anzusehen. Mit diesem Gedanken eröffnete Christian Hitsch seinen Vortrag. „Kunst ist Anthroposophie in Ideenform. Da wird eine geheime Welt offenbar“, machte er Lust aufs Künstlerische. Jede wirkliche Kunst sei der Ausdruck eines Höheren, Geistigen.

Ist also die Anthroposophie ohne Kunst überhaupt denkbar? „Sie wird kurzatmig ohne die Kunst“, sagte Christian Hitsch. Und: „Es muss eine Sehnsucht auftreten nach der Kunst, sonst ist etwas falsch.“

Falsch dürfte im Übrigen auch etwas sein am gewöhnlichen Aufeinandertreffen eines Naturwissenschaftlers mit einem anthroposophischen Künstler. Denn während der eine nichts sehen mag als beweisbare Fakten und den betrachtenden Menschen stets außer acht lässt, stellt der andere den Menschen und dessen Empfindungen gerade in den Mittelpunkt. Das Resultat: Der Künstler kann einfach nicht mit dem Naturwissenschaftler in einer Sprache sprechen, wenn es etwa um einen Sonnenuntergang geht. Denn wo ist die Schnittmenge, wenn es hier um „gelbe Farben und Lichtstrahlen“ geht, dort aber um ein „wunderbares, allumhüllendes Licht, das uns umströmt“? Christian Hitsch: „Die Naturwissenschaft, das ist ein böser Hund für die Kunst.“ Wieso? „Weil uns etwa bei Tönen, Musik oder Eurythmie klassisch die Anschauung ausgeht“, so Christian Hitsch.

„Das Gleiche sieht immer anders aus“, so lautete die Begründung des Referenten dafür, dass die Anthroposophie befruchtend wirken müsse auf die Kunst. Ganz im Gegensatz zur Wissenschaft. Die sei, so Hitsch, nichts fürs Lebendige. Dringe sie doch darin ein, dann „tötet sie das Leben“.

Seine Zuhörer entließ Christian Hitsch mit einem wärmenden Sonnenstrahl. Angesichts der Möglichkeit, in die Welt des Schöpferischen einzudringen, meinte er: „Wir dürfen begeistert in die Zukunft schauen, weil immer mehr Menschen in diese Sphäre blicken. Die Kunst wird wieder befruchtet.“